Geschäftsmann drückt virtuellen Knopf Quantencomputing
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30.09.2020 Vortrag TOP

Quantencomputing - vielversprechendes Werkzeug der Zukunft?!

Es wird gerne gesagt, dass mit Quantencomputern die aktuelle Verschlüsselungstechnik ausgehebelt wird. Doch, was ist Quantencomputing eigentlich?  Wie lässt sich diese Technik heute und in Zukunft einsetzen? VDE Bayern stellte dazu drei Fragen an Professor Dr. Rudolf Gross, einen ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet. Er ist einer der drei Sprecher des Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST) und war im September 2020 Referent beim VDE/VDI Arbeitskreis Informationstechnik.

Was ist der Unterschied zwischen einem Quantencomputer und einem herkömmlichen Computer?

Klassische Computer repräsentieren Information in Bits, die nur den Zustand 0 oder 1 einnehmen können. Über Logikgatter lassen sich diese dann miteinander verknüpfen. Ein Algorithmus kombiniert dann diese einzelnen Gatteroperationen, um aus Eingangsdaten ein Ergebnis zu berechnen.

Quantencomputern arbeiten nicht mit Bits sondern mit sogenannten Qubits. Diese können nicht nur die beiden Zustände 0 und 1 einnehmen, sondern mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit jeden beliebigen Zustand zwischen 0 und 1 einnehmen, einen sogenannte Superpositionszustand. Auf speziellen Hardware-Plattformen – z.B. supraleitenden Quantenchips – können diese Qubits implementiert werden sowie einzeln manipuliert (1-Qubit-Gatter) oder untereinander verknüpft (2-Qubit-Gatter) werden. Der Algorithmus bestimmt wiederum die Gatteroperationen, die nacheinander mit den Qubits ausgeführt werden. Während z.B. mit zwei klassischen Bits nur einer der Zustände 00, 01, 10 oder 11 dargestellt werden kann, können mit zwei Qubits durch das Superpositionsprinzip alle vier Zustände mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten gleichzeig dargestellt werden. Mit drei Qubits können bereits 8 und mit N Qubits 2N Zustände dargestellt werden. Die Zahl der Zustände steigt also exponentiell an und alle werden parallel verarbeitet. Am Ende wird das Ergebnis ermittelt, indem der Zustand der Qubits gemessen wird.

Bei der Lösung einiger Probleme wächst auf klassischen Computern der Ressourcenbedarf (z.B. Rechenzeit, Speicherplatz) exponentiell mit der Anzahl der Eingangsparameter an, bei Quantencomputern dagegen nur mit einem Potenzgesetz. Deshalb lassen sich mit Quantencomputern bestimmte Probleme in viel kürzerer Zeit oder weniger Speicherplatz lösen als mit klassischen Computern. Wenn sich die Rechenzeit von tausenden von Jahren auf einige Minuten reduziert, ist das ein gewaltiger Fortschritt.

Für welche Anwendungen sind Quantencomputer besonders geeignet?

Quantencomputer sind für solche Problemstellungen prädestiniert, die mit klassischen Rechnern nur mit erheblichem (exponentiell wachsendem) Ressourcenbedarf gelöst werden können und Quantenalgorithmen eine starke (exponentielle) Beschleunigung bieten. Dazu zählen die Faktorisierung großer Zahlen in Primzahlen, die Lösung komplexer Optimierungsprobleme wie das Problem des Handlungsreisenden, aber auch die Simulation von Vielteilchensystemen. Ein vielversprechendes Anwendungsfeld ist die Quantenchemie. Für die Simulation eines Penicilin-Moleküls werden bei einem klassischen Computer zur Speicherung der 286 relevanten elektronischen Zustände 1086 Bits benötigt, mit einem Quantencomputer würden 286 Qubits ausreichen.

Neben der Nutzung von Quantentechnologie für Quantencomputing und Quantensimulation gibt es auch andere wichtige Anwendungsfelder wie die abhörsichere Quantenkommunikation oder die Quantensensorik, mit der hochempfindliche Sensoren oder z.B. leistungsfähige Quantenradarsysteme realisiert werden können.

Was ist der aktuelle Stand der Entwicklungen jenseits von Marketing?

Die meisten Bilder von den zurzeit populären supraleitenden Quantencomputern zeigen zum großen Teil nicht den Quantenchip, der nur wenige Zentimeter groß ist, sondern die für Kühlung und Ansteuerung notwendige Infrastruktur.

Um die Leistungsfähigkeit der aktuellen Quantencomputer zu steigern, gilt es nicht nur die Anzahl der Qubits zu erhöhen, sondern auch deren Lebensdauer zu steigern und die Fehlerrate der Gatteroperationen zu senken. Durch Wechselwirkung mit der Umgebung oder Rauschen werden die Superpositionszustände gestört, was zu einer endlichen Lebensdauer dieser Zustände führt. Aktuell haben supraleitende Qubits eine Lebensdauer von bis zu etwa einer Millisekunde. Je länger ein Qubit lebt, desto mehr Gatteroperationen können in seiner Lebensdauer durchgeführt werden. Ab etwa 100 000 Operationen innerhalb der Lebensdauer kann dann eine Quantenfehlerkorrektur realisiert werden. Zurzeit sind alle Quantencomputer noch fehlerbehaftet. Wichtiges Ziel ist eine Reduzierung der Fehlerrate, da ohne sie eine Erhöhung der Zahl von Qubits nicht zu einem leistungsfähigeren Computer führen würde.

Es ist zu erwarten, dass ab 2025 bis 2030 die ersten „fehlertoleranten“ Quantencomputer zur Verfügung stehen. Vermutlich werden diese anfangs Koprozessoren sein, die klassische Supercomputer unterstützen. Eine erste Anwendung könnte die Quantenchemie mit der Simulation von komplexen Molekülen sein.
Genauso wie am Anfang der klassischen Computer, sind für die Alltagstauglichkeit von Quantencomputern noch viele Optimierungen notwendig. Dazu müssen die Systeme zur Kontrolle und Ansteuerung der Qubits wesentlich kleiner und günstiger werden und die damit einhergehenden Probleme, wie z.B. Übersprechen, gelöst werden. Auch bei den Algorithmen für Quantencomputer kann in Zukunft sicher noch einiges optimiert werden.

Dass Quantencomputer ein vielversprechendes Werkzeug für die Zukunft sein können, zeigt sich auch in der Initiative in Bayern zum Aufbau eines Zentrums für Quantentechnologie und Quantencomputing, das mit 120 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren gefördert wird.

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