Dreidimensionaler abstrakter Planet
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14.09.2021

Aus Franken für die Welt: der Übertragungsstandard mioty®

Robert Ober (Robert); Fraunhofer IIS, Paul Pulkert (Kilian), Studiolinie (Keppeler)

Das Internet der Dinge (IoT) ist die Datenquelle der digitalen Gesellschaft. Smarte Sensorik liefert verschiedene Messdaten von Tausenden von Geräten, die anschließend in Rechenzentren verarbeitet und von uns genutzt werden können. Das Rückgrat des IoT sind drahtlose Kommunikationsprotokolle wie 5G, Lora, mioty® oder andere LPWAN-Technologien, die Daten von der Sensorik zu ihrer Basis transportieren. 

Im VDE Bayern Young Pro Dialog, den Martin Keppeler (VDE Bayern Young Pro Sprecher) mit Prof. Dr. Jörg Robert (TU Ilmenau) und Dr. Gerd Kilian (Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Erlangen) im Juli 2021 führte, beleuchten wir, wie der Übertragungsstandard mioty® funktioniert, welche Vorteile er bietet und wo er im Rahmen des FutureIOT Projekts zum Einsatz kommt.

Wissenswertes zu mioty®

Was hat mioty® mit dem Internet der Dinge zu tun?

Im Internet der Dinge (IoT) werden schon bald mehr als 30 Mrd. Geräte drahtlos mit dem Internet verbunden sein. mioty® liefert dabei die Basis für eine zuverlässige Übertragung der Daten per Funk. Hinter mioty® („my IoT“: Mein Internet der Dinge) steht ein neuer Funkstandard, der hauptsächlich am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen und Nürnberg entwickelt wurde. Die Technologie lässt sich den sogenannten Low Power Area Networks (LPWAN) zuordnen und ist hierfür derzeit die leistungsstärkste Funktechnologie am Markt.

Mit welchen Herausforderungen müssen wir in Bezug auf das Internet der Dinge rechnen?

Der wachsende Datenverkehr im IoT führt dabei zu einer immer stärkeren Belegung der Frequenzbänder. Dadurch kommt es zu immer mehr Interferenzproblemen zwischen verschiedenen Systemen und Datenpakete erreichen den Empfänger nicht mehr zuverlässig. Immer mehr wichtige Informationen gehen so verloren.

Wie könnte die mioty®-Technologie diese Herausforderung lösen?

Die mioty®-Technologie liefert einen völlig neuen Ansatz zur Funkübertragung in Low-Power-Wide-Area-Networks (LPWAN). Die Technologie bietet mittels des Telegram-Splitting-Verfahrens eine Lösung, um mit Störungen im Vergleich zu anderen IoT-Protokollen extrem viel besser umzugehen.

s. Grafik: Telegram Splitting, Übertragung von Daten über Sub-Pakete. Quelle: mioty alliance

Das Signal, das von den Sensoren gesendet wird, wird in viele kleine Subpakete zerteilt und auf unterschiedlichen Frequenzen mit zeitlichen Abständen per Funk übertragen. Selbst wenn über die Hälfte der Subpakete auf ihrem Weg zur Basisstation gestört wird und verloren geht, kann die Nachricht gefunden und dank Fehlerkorrektur wieder komplett hergestellt werden.

Worin liegen die technologischen Leistungsmerkmale der Technologie und die wirtschaftlichen Vorteile?

mioty® erfüllt bereits heute die Anforderungen zukünftiger IoT-Systeme: Maximale Energieeffizienz mit einer Batterielebensdauer von bis zu 20 Jahren, extreme Robustheit der Datenübertragung und sehr hohe Skalierbarkeit des Netzwerks (1,5 Mio. Telegramme pro Basisstation und pro Tag). Für Anwender ergeben sich daraus wirtschaftliche Vorteile wie geringere Installations-, Wartungs- und Gesamtkosten. Durch die Standardisierung der Technologie über das Europäische Telekommunikationsinstitut (ETSI) ist mioty® zudem zukunftssicher und kann als Software einfach in neue oder bestehende Geräte integriert werden. So sichert sein Einsatz bereits getätigte und zukünftige Investitionen langfristig ab.

s. Grafik: Vorteile der mioty-Technologie. Quelle: mioty alliance

Wie steht es um die Kommerzialisierung des Standards?

Hinter dem neuen Funkstandard steht die mioty® alliance, ein Konsortium von führenden Industrieunternehmen, welche die Kommerzialisierung der Technologie vorantreiben. Seit ihrer Gründung im November 2019 ist die mioty® alliance auf über 30 Mitglieder angewachsen, welche die Technologie in unterschiedlichsten Branchen und Anwendungen einsetzen. So überwachen Automobilunternehmen mit der Funktechnologie den Zustand von Maschinen oder Anlagen. Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie erkennen frühzeitig Leckagen bei Rohrleitungen. Versorger und Infrastrukturbetreiber, wie etwa Stadtwerke, bauen eigene Campusnetzwerke auf, um Gas-, Wasser- und Stromdaten automatisch zu übermitteln oder Pegelstände in Schächten zu messen.

Wissenswertes zum FutureIOT Projekt

Was ist das FutureIOT Projekt?

Das Forschungsprojekt FutureIOT ist ein von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördertes Projekt, das weltweit sichtbare und anerkannte Spitzenforschung in den Schwerpunktbereichen Kommunikation, Sensorik, Lokalisierung, Datensicherheit und IoT-Plattformen durchführen soll. Start des Projektes war am 1. Februar 2018. Die durch die Bayerische Forschungsstiftung bereitgestellte Fördersumme beträgt ca. 2 Mio. €, wobei die beteiligten Industriepartner eine vergleichbare Summe als Eigenanteil in das Projekt einbringen. Zu den geförderten Projektpartnern zählen u. a. die Universität Erlangen-Nürnberg, die TU München oder die Universität Bamberg. Beteiligte Industriepartner sind beispielsweise der Flughafen München oder die NürnbergMesse. Das Projekt endete planmäßig am 31. Juli 2021.

Wie wird mioty® dort eingesetzt?

Ziel von FutureIOT ist unter anderem der Test von neuen Sensoranwendungen, die mit bisherigen Ansätzen nicht wirtschaftlich umsetzbar sind. Ein Beispiel hierfür ist die präzise Überwachung der Luftqualität in Innenräumen, die insbesondere durch Corona eine noch höhere Bedeutung erlangt hat. Die Installation vieler drahtgebundener Sensoren zur Steuerung der Lüftungsanalagen ist viel zu kostspielig. Andererseits besitzen batteriebetriebene Sensoren mit Funkanbindung aktuell nicht die gewünschte Batterielebensdauer oder Funkreichweite. Diese Lücke kann mit mioty® geschlossen werden, das eine hohe Funkreichweite bei gleichzeitig langer Batterielaufzeit ermöglicht. Jedoch werden in FutureIOT auch weitere Anwendungen untersucht, bei denen eine hohe Funkreichweite in Kombination mit einer mehrjährigen Batterielaufzeit benötigt wird.

Was sind die Ergebnisse von FutureIOT?

Wichtigstes Ergebnis von FutureIOT ist, dass die geplanten Anwendungen technisch und wirtschaftlich realisierbar sind. Besonders überrascht hat dabei die Robustheit der Kommunikation, die trotz einer Sendeleistung von nur 10 mW eine hohe Funkreichweite ermöglicht. So konnte im Rahmen von FutureIOT praktisch das gesamte Gelände des Flughafens München mit nur 3 mioty®-Stationen abgedeckt werden. Dies schließt insbesondere auch die Bereiche innerhalb der Gebäude mit ein. Auch gegen Störungen durch die Vielzahl weiterer Frequenznutzer am Flughafen erwies sich mioty® als sehr robust, so dass praktisch keine Übertragungsverluste aufgetreten sind. Dies hat dazu geführt, dass der Flughafen München aktuell den Aufbau eines kommerziellen mioty®-Netzwerkes am Flughafen plant. Sehr positive Ergebnisse konnten auch auf dem Gelände der NürnbergMesse erzielt werden. Selbst zur Messe „Embedded World“, bei der eine sehr hohe Anzahl von Funksystemen im gleichen Frequenzspektrum wie mioty® verwendet wurden, konnte keine relevante Beeinflussung der mioty®-Übertragungen nachgewiesen werden.

Unsere Interviewpartner

  • Dr. Gerd Kilian, ist Miterfinder des Funkübertragungsstandards mioty®, am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen.
  • Prof. Dr. Jörg Robert, ist Leiter des Center of Compentences des Projekts FutureIOT der TU Ilmenau.
  • Martin Keppeler, M. Sc., ist VDE Bayern Young Pro Referent.